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Inhalt:

  • Am Anfang war das Wort

AM ANFANG WAR DAS WORT…

… mit diesem Satz eröffnet Johannes sein Evangelium. Goethes Dr. Faustus stolpert über diesen Satz, kann das Wort allein nicht so hoch schätzen und möchte dort lieber Bewegung und die Tat sehen. Er ist frei dazu, weil das griechische „Logos“ viele Deutungen zulässt: Die Logik, die geordnete Grundstruktur allen Seins, die Verbindung von Geist und Materie, jegliche Form der Kommunikation. Wenn man dem Evangelisten weiter folgt, so meint er gar die Inkarnation und Menschwerdung Gottes.
Die Kirche bleibt bei dem einfachen Wort „Wort“, verbunden mit einer enormen Hochschätzung. Während es tatsächlich nur zu oft Schall und Rauch ist, was wir täglich von uns geben, versteht sie sich als Bewahrerin und Interpretin eines göttlichen Wortes. Es hat
eine andere Qualität. Es ist nicht erdacht und erhofft, sondern vorausgesetzt und gesagt.
Wenn Gott etwas sagt, dann ist das so: „Es werde Licht – und es ward Licht.“ Performative Rede nennt das die Sprachwissenschaft – wir kennen es als Urteil des Richters, aus Liebesgeständnissen oder wenn wir einander eine Schuld vergeben: Wenn es ausgesprochen ist, dann ist es so. Und Kirche soll dieses Wort, dieses Urteil weitersagen, dass die Welt gesegnet ist, das Leben sinnvoll, dass der Mensch erst durch Liebe zum Menschen wird.
Dieses Wort Gottes mag in einem alten Buch offenbart sein, aber mehr noch in unserem Bewusstsein und Fühlen, in allem, was uns inspiriert und zwischen den Zeilen steht. Während Konrad Duden die Wörter isoliert katalogisiert hat, ist es ja die Grammatik, der Bezug der Wörter untereinander, der einen Sinn ergibt und aus Wörtern erst Sprache macht.
Es ist der wahre Schatz der Kirche, Sprache zu finden und zu pflegen. Von dem, was unseren Horizont übersteigt, wofür uns eigentlich die Worte fehlen, so zu sprechen, dass es zumindest erahnt werden kann – und wenn es geht, nicht auf Lateinisch.
Das erfordert manchmal Gleichnisse, Architektur oder Musik, aber es geht letztlich um das Wort in vielerlei Gestalt. Kirche hatte ihre besten Zeiten immer dann, wenn sie sich allein auf dieses ewige Wort verlassen hat und Ausdruck dafür fand.
Es sind letztlich Worte, die in den Himmel wie auch ins Verderben führen können und es ist unser Glaube, der die Weiche dazu stellt.

Pfarrer Ingolf Scheibe-Winterberg, Schleiz